Die Historische Gesellschaft Liegnitz e.V.

Aus dem Protokoll über die Gründungsversammlung am 9. Mai 1970 in Wuppertal - die vom früheren Liegnitzer Oberbürgermeister Dr. Werner Elsner einberufen und geleitet worden war - entnehmen wir folgendes:

"Dr. Elsner berichtete über den seit 1904 bestehenden "Geschichts- und Altertumsverein für das Fürstentum und die Stadt Liegnitz", der u. a. an der Einrichtung des Niederschlesischen Museums, der wissenschaftlichen Stadtbibliothek und der Aufstellung mehrerer Denkmäler (darunter des heute in Wuppertal wieder aufgestellten Arnim- Denkmals) maßgeblich beteiligt war und alle zwei Jahre einen mehrere hundert Seiten umfassenden Band mit Beiträgen zur Geschichte des Liegnitzer Landes herausgab.

Die Anregung, diesen Verein - unter welcher Bezeichnung auch immer - zu erneuern, wurde gegeben durch die Kenntnis davon, dass der Heimatkreis Elbing eine ähnliche Vereinigung unter der Bezeichnung "Truso-Vereinigung e. V." geschaffen hat, die bereits eine beachtliche Reihe "Elbinger Hefte" herausgegeben hat. Damit verband sich die Hoffnung, einen größeren Kreis ehemaliger Liegnitzer, besonders der jüngeren Generation, die sich durch Familientradition, Schul- und Jugendzeit, berufliches Wirken usw. mit "Liegnitz" verbunden fühlen, in der Bundesrepublik Deutschland es zu angesehenen beruflichen Stellungen gebracht haben, sich aber den Liegnitzer Heimatgruppen fernhalten, für die Liegnitzer Traditionspflege zu gewinnen. Diese Hoffnung wurde verstärkt durch Briefe, deren Schreiber zwar ein politisches Engagement im Sinne der Vertriebenenverbände und der Landsmannschaften ablehnen, sich aber für die Pflege der schlesischen und Liegnitzer Tradition (Geschichte und Kultur) einsetzen, und durch die Tatsache, dass seit eh und je ständig im Bundesgebiet Schülertreffen stattfinden, deren Teilnehmer sich weitgehend der so genannten Heimatpolitik entziehen, aber die Erinnerung an Liegnitz als geschichtliche und kulturelle Idee nicht untergehen lassen.

Zur Durchführung des Plans sind bisher zwei Aktionen durchgeführt worden: die erste Anfang 1969 in Verbindung mit den Dankschreiben für die Beteiligung an dem Gedenkbuch für den Stadt- und Landkreis Liegnitz; die zweite durch die von Konsul Dr. Finke in Verbindung mit seiner Schwester, Frau Bunk, und seinen Münchener Mitarbeitern im April 1970 vorgenommene Werbeaktion. Ergebnis: ca. 100 Persönlichkeiten haben sich bereiterklärt, einem zu gründenden "Historischen Verein Liegnitz" beizutreten mit Jahresbeiträgen von 10,- DM bis über 100.-DM oder einmaligen Spenden, von denen eine sogar 500,- DM betrug. Zudem erwies die Gründungsversammlung mit 46 Teilnehmern, dass der Verein gegründet werden kann. Ob er lebensfähig ist, kann erst in zwei Jahren beurteilt werden.

Dazu sind zwei Voraussetzungen erforderlich:

1. Die finanzielle Grundlage, d. h. mindestens 300 Mitglieder mit dem Mindestjahresbeitrag von 10,- DM, dazu die korporative Mitgliedschaft der Stadt Wuppertal, und - was wichtig ist - die Gewinnung westdeutscher Mitglieder, damit sich aus dem Verein eine Partnerschaft zwischen Ost- und Westdeutschen zur Wahrung deutscher Geschichte und Kultur ergibt;

2. die Gewinnung der jüngeren Generation, d. h. der heute 30- bis 60jährigen und deren Nachkommen. Wenn das nicht gelingt, stirbt die ostdeutsche Tradition. Dazu ein Wort der "Deutschen Jugend des Ostens": "Daneben gilt unser Tun der Erhaltung und Weiterführung der ostdeutschen Kultur, um zu verhindern, dass der Vertreibung der Menschen die Auslöschung der ostdeutschen Kultur folgt. Die "Historische Kommission Schlesien e. V.", die ähnliche Zwecke - unabhängig von landsmannschaftlicher Heimatpolitik - verfolgt, hat durch ihren gegenwärtigen Vorsitzenden, Herrn Prof. Petry, Heidelberg, unser Vorhaben begrüßt.

Bei der daraufhin erfolgenden Beratung des von Dr. Elsner vorgelegten Satzungsentwurfs ergab sich folgendes:

1. Nach Ablehnung verschiedener anderer Vorschläge entschloss sich eine Mehrheit für den Namen des Vereins "Historische Gesellschaft Liegnitz e.V."

2. Einstimmig beschlossen wurde die absolute partei- und verbandspolitische Neutralität, also auch unabhängig von der Bundesgruppe Liegnitz, den Landsmannschaften und Vertriebenenverbänden; 1

3. Einstimmig beschlossen wurde das Offenhalten der Mitgliedschaft auch für Westdeutsche, um eine echte Partnerschaft zwischen Ost- und Westdeutschen zur Pflege ostdeutscher Geschichte und Kultur zu ermöglichen.

Zum 1. Vorsitzenden wurde gewählt Bürgermeister a. D. Hans Horstmann, 44 Münster, Langemarckstr. 48. Dem Vorstand gehören weiterhin an: Rosemarie Bunk, Soest (2. Vorsitzende); Prof. Dr. med. Otto-Hermann Paetzold, Kiel (Schriftführer); Dr. Wolfgang Scholz, Essen (Kassierer); sowie Frau Lisa Elsner, Berlin; Konsul Dr. Friedhelm Finke, München; Wolfgang Geßler, Malsch; Sigismund Frhr. v. Zedlitz, Fallersleben."

So weit das Protokoll zur Gründungsversammlung.

1 Die später angenommene Satzung trägt zwar in § 2, Abs. 2 dem einstimmigen Beschluss der Gründungsversammlung über die partei- und verbandspolitische Neutralität der "Historischen Gesellschaft Liegnitz e.V." Rechnung, erwähnt jedoch die Bundesgruppe Liegnitz nicht mehr ausdrücklich. Insofern wurde von Beginn an eine gedeihliche Zusammenarbeit beider Vereine möglich.

Auch heute noch macht es sich die "Historische Gesellschaft Liegnitz e.V." (HGL) zur Aufgabe, die geschichtliche, kulturelle und auch wirtschaftliche Bedeutung der Stadt und des ehemaligen Herzogtums Liegnitz auch "im Exil" zu bewahren und zu pflegen. Dazu sammelt sie alles Material und alle Nachrichten über die reiche, Jahrhunderte alte Vergangenheit der angestammten Heimat, erschließt neues Material und arbeitet es auf.

In Zusammenarbeit mit der "Bundesgruppe Liegnitz e.V." (BGL) und mit tatkräftiger Unterstützung der Patenstadt entstand in einem der beiden ´Haspelhäuser´ die "Liegnitzer Sammlung Wuppertal". Sie enthält ein umfangreiches Archiv, eine Bibliothek und eine Reihe musealer Erinnerungsstücke und stellt somit ein kleines, sehenswertes Heimatmuseum dar, in dem auch wechselnde Ausstellungen stattfinden.

Eine der Hauptaufgaben der HGL ist die Herausgabe der Beiträge zur Liegnitzer Geschichte, die als Jahresgaben an die Mitglieder, aber auch an eine Vielzahl von Bibliotheken und wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland und dem östlichen Mitteleuropa versandt werden. Seit 1971, als die "Liegnitzer Stadtgeschichte 1241 bis 1912" von Dr. Werner Elsner als erster Band erschien, wurden bisher 35 Bände ausgeliefert.
    Der HGL gehören 238 Mitglieder (Stand 27.06.2005) im In- und Ausland an. Die Mitgliederversammlung findet innerhalb der alle zwei Jahre in Wuppertal abgehaltenen Liegnitzer Patenschaftstreffen statt.

    Seit 1971 bestehen freundschaftliche Beziehungen zu kulturellen Institutionen der seit Ende des Zweiten Weltkrieges polnischen und fast ausschließlich von Polen bewohnten Stadt Liegnitz (Legnica). Durch die politische Wende in Polen nach 1989 ergaben sich Möglichkeiten für eine Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen mit diesen Institutionen in Liegnitz (Legnica), wie Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Vorträge. Solche polnischen Institutionen sind z. B. die "Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften", die "Martin-Opitz-Gesellschaft", das Kupfermuseum zu Liegnitz, das Fremdsprachenkolleg, das Jugendzentrum, das Kulturzentrum in der ehemaligen Ritterakademie, die Städtische Musikschule, der Verein "Tarninow" und das Städtische Theater. Alle Veranstaltungen, die stets gemeinsam mit der BGL geplant, organisiert und durchgeführt werden, genießen die volle Unterstützung der Stadtverwaltungen von Wuppertal und Liegnitz (Legnica).

    Einen starken Antrieb erhielt die kulturelle Zusammenarbeit durch die 1993 zwischen den Städten Wuppertal und Liegnitz (Legnica) geschlossene Städtepartnerschaft, an deren Zustandekommen die durch die HGL und BGL geschaffene gute Atmosphäre entscheidenden Anteil hatte. Symbolcharakter hatten die Restaurierung des barocken Neptunsbrunnen auf dem Liegnitzer Marktplatz 1992 bis 1993, durch eine namhafte Spende der HGL ermöglicht, und die im Gegenzug durch die polnische Stadtverwaltung 1993 errichtete Gedenkstätte für die ehemaligen Einwohner von Liegnitz auf dem Städtischen Friedhof.

    Seit der Wende in Polen ist dort eine zunehmende Offenheit gegenüber der Jahrhunderte langen deutschen Geschichte von Liegnitz und von ganz Schlesien zu beobachten, vor allem bei der jüngeren und mittleren Generation. Es wächst bei der Bevölkerung der, auch durch die Medien unterstützte Wunsch, sich in diese Tradition zu stellen und dadurch in diesen, erst seit 1945 polnischen Gebieten, eine geschichtliche Kontinuität und dadurch eine eigene Identität zu gewinnen. In der Erkenntnis, dieser so positiven Ansätze möchte die HGL mit ihrem Wissen und ihrem archivierten Material ihren aktiven Beitrag zu dieser Entwicklung leisten, nicht zuletzt im Sinne einer europäischen Verständigung.

    Da der Jahresbeitrag von 20,00 EURO nur knapp die Kosten von Herstellung und Versandt der Jahresgaben deckt, wird herzlich um zusätzliche Spenden gebeten. Diese sind steuerlich absetzbar.

    September 2006
    Sigismund Freiherr von Zedlitz
    Erster Vorsitzender
    Oehlertring 53
    12169 Berlin

    Die bisherigen Ersten Vorsitzenden:
    1970 bis 1972 Hans Horstmann
    1972 bis 1989 Prof. Dr. Dr. Otto Hermann Paetzold
    Seit 1989 Sigismund Freiherr von Zedlitz